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Stadtwerke erwarten Zusammenbruch des Stromhandels

Die Gewinne der deutschen Energieversorger werden dramatisch schrumpfen, der Stromhandel fast völlig zusammenbrechen, sagt der Stadtwerkeverbund Thüga voraus. Ein Bereich wird komplett unprofitabel.

Die Energiewende wird das Geschäft der deutschen Strom- und Gasversorger in den kommenden Jahren stark belasten. Das geht aus einer Analyse des größten deutschen Stadtwerke-Verbundes Thüga hervor, die der “Welt” vorliegt.

Gerade bei kommunalen Stadtwerken, die sich vor Kurzem noch als “Träger der Energiewende” positioniert haben, werden die Finanzmittel knapp, die Optionen für profitable Geschäfte immer enger. So seien etwa die Ergebnisaussichten für den Energiehandel “niederschmetternd”, wie es im neusten “Strategie-Review” des Stadtwerkekonzerns Thüga AG heißt.

Die Gewinne in diesem für die Energiewende wichtigen Geschäftsfeld würden in den kommenden acht Jahren um 75 Prozent zurückgehen, heißt es in der umfassenden Studie zu den Zukunftsaussichten der deutschen Energiebranche.

Tiefgreifende Veränderungen

“Wo geht die Reise der Energiebranche hin? Und was ist zu tun?” Diese Fragen bildeten den Ausgangspunkt des Projekts “Strategie-Review 2024”, in das 39 Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung, mehr als 50 Experten sowie das Beratungsunternehmen A.T. Kearney eingebunden waren.

Die Thüga AG, ein Netzwerk aus rund 560 deutschen Kommunen und rund 100 Stadtwerken, analysiert auf diese Weise alle drei Jahre die grundlegenden Marktgegebenheiten, um danach ihre geschäftliche Strategie auszurichten.

Das Ergebnis des Prognoseprojekts lässt tiefgreifende Veränderungen im deutschen Energiemarkt in den kommenden acht Jahren erwarten. So werde der Vorsteuergewinn der gesamten deutschen Strom- und Gaswirtschaft bis zum Jahr 2024 auf noch 15,6 Milliarden Euro schrumpfen. Bei der letzten Thüga-Prognose im Jahre 2011 lag der Gesamtgewinn (Ebit) noch 21 Prozent höher, bei 19,8 Milliarden Euro.

Geschäft wird immer kleinteiliger

Damit stellt sich die Frage, wer den ökologischen Umbau der Energieversorgung in Zukunft finanzieren kann. Der Zubau neuer Kapazitäten der Ökostromproduktion hängt bislang von Subventionen ab. Die Investitionsmöglichkeiten und Marktchancen von privaten Energieversorgern und kommunalen Stadtwerken werden gleichzeitig jedoch deutlich geringer.

Der Rückgang der Gewinne dürfte nach der Thüga-Studie die verschiedenen Versorger unterschiedlich stark treffen. So werden Unternehmen mit einem bislang starken Handelsgeschäft zu den größten Verlierern der Energiewende gehören. Während der Energiehandel noch 2011 deutschlandweit einen Vorsteuergewinn von 2,8 Milliarden Euro abwarf, dürfte der Gesamtgewinn bis zum Jahr 2024 auf gerade noch 700 Millionen Euro sinken.

“Der Handel”, heißt es in der Thüga-Studie, “steht vor fundamentalen Herausforderungen: Das Geschäft wird immer kleinteiliger. Zudem gehen die Handelsmargen aufgrund hoher Marktliquidität zurück.”

Zunehmend kleinere Anlagen

Auslöser des Ertragseinbruchs ist die rasante, subventionsgetriebene Ausbreitung kleiner, dezentraler Stromproduzenten, wie etwa Fotovoltaik-, Biomasse- oder Windkraftanlagen. Basierte die Stromversorgung Deutschlands vor zwanzig Jahren noch auf einer überschaubaren Zahl von Großkraftwerken, gibt es heute landesweit mindestens zwei Millionen “Einspeisepunkte” für Energie, wie die Netzbetreiber ermittelt haben.

Für den professionellen Energiehandel wird die Lage dadurch extrem erschwert: “Hatte man früher konventionelle Energieerzeuger mit mehreren Hundert Megawatt Erzeugungsleistung auf einen Schlag im Portfolio, kommt die Energie heute zunehmend aus kleineren Anlagen”, heißt es im Thüga-Papier. “Die Steuerung für den Händler ist dadurch aufwendiger geworden, kleinteilige komplexe Prozesse bestimmen seinen Alltag und schlagen sich auch in den Handling-Kosten für das einzelne Geschäft nieder.”

Kehrseite der Dezentralisierung: Auch das Geschäft mit Großkraftwerken wirft immer weniger ab. Die Expertengruppe der Thüga geht davon aus, dass sich die Vorsteuergewinne im Bereich “zentrale Erzeugung” mehr als halbieren, von zuletzt rund acht Milliarden Euro auf noch 3,8 Milliarden Euro im Jahr 2024.

Lediglich der Ausbau der dezentralen Erzeugung verhindert einen noch stärkeren Ergebnisrückgang in der Energiebranche. Die Gewinne aus dem Betrieb von Windkraft- und Solaranlagen sowie Biomassekraftwerken soll sich gegenüber 2011 auf 4,9 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Die deutsche Stromwirtschaft wird mit dem Verkauf von subventioniertem Ökostrom also bereits lange vor 2024 mehr Gewinn machen, als mit der Vermarktung der Elektrizität aus Großkraftwerken.

Allerdings kann das Geschäft mit dezentral produziertem Ökostrom den Ergebnisrückgang der zentralen Kraftwerke nicht ausgleichen. Damit stellt sich die Frage, wie die Energiebranche diejenigen Mittel erwirtschaften soll, mit denen sie den weiteren Fortgang der Energiewende gestalten soll. Denn laut Thüga-Modell kann lediglich das Netzgeschäft mittelfristig noch “marktgerechte Renditen erwirtschaften”. Das Vertriebsgeschäft werde immerhin auf niedrigem Niveau einigermaßen stabil bleiben.

Zubau von Erzeugungskapazitäten

Die viel zitierten “Chancen neuer Geschäftsmodelle” und Produktideen jedoch, die sich angeblich aus der Energiewende ergeben, liefern zumindest bis zum Jahr 2024 keinen nennenswerten Ergebnisbeitrag, glauben die Thüga-Forscher: Der Anteil solcher Geschäfte dürfte am Gesamtergebnis der deutschen Energiebranche dann lediglich zwischen null und zehn Prozent betragen.

Grundlage der pessimistischen Einschätzung der Prognosegruppe ist die Erwartung, dass weiterhin jedes Jahr neue Ökostromkapazitäten zugebaut werden. Investitionen in solche subventionierten Erzeugungsanlagen rentieren sich umso mehr, als das Zinsniveau noch eine ganze Weile extrem niedrig bleiben dürfte.

Mit dem Zubau von Erzeugungskapazitäten von mindestens fünf Gigawatt pro Jahr – das entspricht der Leistung von fünf Atomkraftwerken, fällt der Wert einer Kilowattstunde dramatisch. Darunter leiden auch andere Sektoren der Stromversorgung.

Pumpspeicher etwa, die eine wichtige Rolle bei der Speicherung und Verstetigung des schwankenden Ökostromaufkommens spielen, werden in den nächsten Jahren im Betrieb nahezu unprofitabel, sagen die Thüga-Experten voraus. Damit gibt die “Strategie-Review” auch frühere Spekulationen über Stilllegungen von Pumpspeicherwerken neue Nahrung.

Der Stadtwerke-Konzern Thüga AG zieht aus der Branchenprognose den Schluss, künftig vor allem ins Kerngeschäft, also in die Bestandskunden zu investieren, in den Vertrieb und das Netzgeschäft. Nebenher will man die Kooperation und Arbeitsteilung zwischen den Stadtwerken verbessern und die Digitalisierung und Entwicklung neuer Geschäftsideen im Verbund angehen.

Beim Einstieg in die neue Energiewelt sei es sicherer, sich zunächst auf die vertrauten Kernkompetenzen zu besinnen. Im Fokus, so das Fazit von Michael Riechel, Vorstandsvorsitzender der Thüga AG, müsse der Leitsatz stehen: “Schuster, bleib bei deinen Leisten und werde dabei immer besser.”

Quelle: http://www.welt.de/wirtschaft/energie/article156303797/Stadtwerke-erwarten-Zusammenbruch-des-Stromhandels.html vom 17.06.2015

lucas

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